Umfrage bei Journalisten über 30


Journalisten im Büro des Boston Herald. (Courtesy of the Boston Public Library, Leslie Jones Collection/CC BY-NC-ND 2.0)

Auslöser war ein Interview von Rainer Stadler, dem Medienjournalisten der NZZ, mit der MAZ-Direktorin Sylvia Egli von Matt. Diese sagte, die Schweizer Jungjournalisten seien wieder politischer geworden. Viele würden aber nur noch „20 Minuten“ lesen und seien selbstausbeuterisch.

Der Verband „Junge Journalisten“ hat darauf bei der Basis (Journalisten unter 30) nachgefragt und eine Umfrage erstellt. Die ausführlichen Antworten und einen sehr lesenswerten Text dazu gibt es hier.

Nun wäre es aber sicher genauso spannend zu wissen, wie ältere Journalistinnen und Journalisten auf diese Fragen geantwortet hätten. Unterscheiden sich die Generationen so sehr? Und wie schätzen Journalistinnen und Journalisten über 30 ihre jungen Kolleginnen und Kollegen ein? Ich habe nachgefragt. Und 59 Personen haben geantwortet.

Wie es aber bei solch unwissenschaftlichen Umfragen halt ist, sind die Resultate mit Vorsicht zu geniessen. Die Umfrage ist keinesfalls repräsentativ. Ich weiss auch nicht, ob wirklich nur Journalistinnen und Journalisten über 30 geantwortet haben. Oder überhaupt nur Journalistinnen und Journalisten. Die Antworten lassen zwar diesen Schluss zu, aber wirklich sicher kann man ja nie sein… Zudem wurde die Umfrage hauptsächlich auf Twitter geteilt und hat deshalb wohl in erster Linie Journalistinnen und Journalisten, die dort auch vertreten sind, angesprochen.

Sind ältere Journalisten politischer als jüngere?
Bei dieser Frage gab es die Auswahlmöglichkeiten „Ja“, „Nein“, „Weiss nicht“:

Die älteren Journalistinnen und Journalistinnen schätzen sich selbst also als eher politisch im Gegensatz zu den jüngeren ein. Interpretationen dazu gibt es unterschiedliche. So heisst es in einer Antwort: „Bei Gratiszeitungen und Online-News arbeiten vor allem junge Journalisten. Dort geht es nur um ‚die Story‘ – politische Haltung ist störend.“ Oder: „Politik wirkt uncool. Junge wollen lieber über Sex statt Politik reden.“ Häufig als Grund genannt wird die grössere Erfahrung und bessere Ausbildung der älteren Journalistinnen und Journalisten.
Anders sehen das Personen, die mit „Nein“ geantwortet haben: „Als Journalist braucht es ein politisches Grundinteresse.“ Und: „Politikinteresse ist eine Charakter- und keine Altersfrage.“ Oder: „Es gab schon immer politische und unpolitische Journalisten. An der Verteilung hat sich nichts geändert und das ist auch gut so!“

Bevorzugen ältere Journalisten bestimmte politische Positionen?
Hier halten sich die Antworten einigermassen die Waage. Eine knappe Mehrheit glaubt, dass ältere Journalistinnen und Journalisten politische Positionen bevorzugen.

Spannend ist dazu natürlich, welche Positionen angeblich bevorzugt werden. Die Mehrheit lässt sich irgendwo in der politischen Mitte verordnen.

Wo ordnest Du Dich im politischen Spektrum ein?
Dieser Punkt wurde bei der Umfrage bei den Jungen Journalisten häufig kritisiert. Dort war die Frage, wie die jüngeren Journalisten ihre Journalisten-Generation einordnen. Die Frage nach der persönlichen Präferenz wurde nicht gestellt. Ich habe direkt nach der politischen Verordnung gefragt. Zugegeben: Bei den Antwortmöglichkeiten (SP, Grüne, GLP, CVP, FDP, BDP und SVP) hätte man mehr differenzieren können. Und die meisten würden wohl kaum alle Punkte des entsprechenden Parteiprogramms unterzeichnen. Auch fehlte die Möglichkeit, keine Partei auszuwählen. Und die Antworten implizieren natürlich auch nicht, dass die Journalistinnen und Journalisten diese Parteien in der Berichterstattung bevorzugen. (Zum Thema Partei und Journalisten empfehle ich diesen Beitrag von David Bauer.)

Wo würdest Du am liebsten Arbeiten?
Im Interview mit der NZZ sagt Sylvia Egli von Matt, dass junge Journalistinnen und Journalisten zu 80 Prozent ihre Zukunft in der Tageszeitung sehen. Wie ist das bei der älteren Generation? Hier die Antworten:

Ist das Journalismus-Geschäft härter geworden?
Es wird oft und gerne wiederholt: Journalismus ist ein hartes Geschäft. Und früher war ja alles besser.
Hier wurden diese beiden Aussagen ziemlich klar bestätigt. Einige Personen haben auch noch einen kurzen Kommentar zu ihrer Antwort geschrieben. Zum Beispiel: „Ja, aber dafür ist das Geschäft auch interessanter geworden.“ Oder: „Nein, heute ist inhaltsloser Empörungsjournalismus statt investigativem Journalismus gefragt.“ Als mögliche Gründe für die zunehmende Härte im Journalismus schreibt eine Person: „Mehr Zeitdruck, mehr Konkurrenz und Konvergenzdruck.“ (Ob diese Person beim TagesAnzeiger arbeitet, entzieht sich meiner Kenntnis. Die Umfrage war anonym.)

Wie nutzt Du die neuen Medien?
Die meisten haben diese Frage mit „intensiv“ (38) beantwortet. Mit Abstand am meisten wird offenbar Twitter vor Facebook genutzt. Allerdings wurde der Fragebogen wohl auch am häufigsten über Twitter geteilt und hat entsprechend aktive Twitter-Nutzer angesprochen. Facebook spielt laut den Antworten nur eine untergeordnete Rolle. Genutzt werden die neuen Medien für Recherche, Ablenkung, Linkschleuder, Informationsfindung, Liveticker und Stimmungs-Seismograph.

Wie informierst Du Dich? Welche Zeitungen liest Du regelmässig? Welche Online-Portale?
Auch hier gab es eine sehr grosse Anzahl unterschiedlicher Antworten. Mit grossem Abstand am häufigsten genannt wurden der TagesAnzeiger (22) und die NZZ (21). Danach folgen der Blick (11) und 20 Minuten (8). Mehrfachnennungen bekamen auch die Weltwoche und die WOZ (je 6). Insgesamt wurden fast 60 verschiedene Zeitungen/Online-Portale genannt. Von den ausländischen Medien die meisten Nennungen bekamen der Spiegel (11) und die New York Times (4).

Für welche Art von Journalismus bist Du bereit zu bezahlen?
Diese Frage habe ich auf Anregung von Rafael Zeier aufgenommen. Und auch hier sind die Antworten sehr unterschiedlich. Die meisten Personen haben „Reportagen und Hintergründe“ angegeben. Auch die Online-Umsetzung spielt bei der Zahlungsbereitschaft offenbar eine Rolle. Eine Person schreibt: „Für hintergründigen, investigativen Journalismus. Insgesamt für soliden Journalismus, der es nicht nötig hat, marktschreierisch tätig zu sein.“ Ganz pragmatisch ist diese Antwort: „Für Journalismus, den ich gratis nicht bekomme.“ Auch zum Bezahlmodell ist eine Antwort eingegangen: „Nur Flatgebühren wie beim TV, nicht für Einzelprodukte.“ Wichtig ist vielen Personen auch „gute Schreibe“ und „hohe Qualität“. Auch die „Einordnung“ und „Analyse“ wird häufig genannt.

Was wären Gründe für Dich, den Journalismus zu verlassen?
Für die meisten Journalistinnen und Journalisten wäre es ein Grund, den Journalismus zu verlassen, wenn sie ihre Arbeit nicht mehr mit ihrem Gewissen vereinbaren könnten (9). Gründe sind auch die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen (8) und die Finanzen (7). Sieben Personen können es sich nicht vorstellen, den Journalismus je zu verlassen. Weitere Gründe für ein Ausscheiden aus dem Beruf: Eine neue Herausforderung, gesundheitliche Probleme, fehlende Motivation, das Alter oder eine Entlassung (je 3).

Wie siehst Du die jungen Journalisten?
Viele ältere Journalistinnen und Journalisten sehen ihre jüngeren Arbeitskolleginnen und -Kollegen als „ehrgeizig“ und „ambitioniert“. Kritische Antworten überwiegen hier jedoch. „Zum Teil etwas überheblich“, „zu wenig engagiert“, „kaum belesen“, „jammernd“, „oberflächlich“, „kaum Hintergrundwissen“, „viele selbstverliebte Schwätzer“ und „überforderd“ sind einige der Rückmeldungen.
Natürlich finden sich auch postive Worte: „Mit viel Elan“, „engagiert“, „gut ausgebildet“, „motiviert“, „erfreulich realistisch“ und „den heutigen Anforderungen besser gewachsen“.
Einige Personen zweifeln, ob es wirklich Unterschiede zu den älteren Journalisten gibt: „Wer sich einsetzt und etwas kann, der setzt sich auch durch“, „es ist wie bei den älteren Journalisten: Es gibt gute und es gibt weniger gute“ und „gleich getrieben wie die alten Journalisten“.

Welchen Rat würdest Du einem jüngeren Journalisten mit auf den Weg geben?
Fast alle Personen haben hier eine Antwort gegeben. Und es wäre doch schade, wenn ich nur eine Auswahl der Tipps an die jungen Journalistinnen und Journalisten weitergeben würde. Zudem einige Tipps durchaus auch für ältere Journalistinnen und Journalisten gelten dürften:
„Tipps von älteren Journalisten entgegennehmen. Dem Bauchgefühl vertrauen, kritisch bleiben.“
„Fight The Power“
„Viel weiterbilden“
„Fehler machen ist kein Unglück, aber mit der Zeit sollte man sie möglichst ausmerzen. Mutig sein. Locker bleiben.“
„Lesen!““Hartnäckig sein“
„Work hard, play hard“
„Auf die eigenen Stärken vertrauen. Qualität setzt sich früher oder später durch.“
„Mehr lesen, eigene Haltung vertiefen.“
„Guten Journalismus machen und sich für neue Entwicklungen interessieren. In der gekonnen Kombination liegt die Zukunft.“
„Suche die Grenzen.“
„Arbeiten“
„Er braucht das heilige Feuer für diesen Beruf – nur dann wird er ein guter Journalist.“
„Seinen eigenen Weg gehen.“
„Zeitung und Bücher lesen.“
„Kritisch und ehrlich sein.“
„Lern zuerst etwas Gescheites!“
„Lesen, lesen, lesen. Rausgehen und druchbeissen.“
„Durchhalten: Talent setzt sich durch.“
„Setze auf Qualität, egal in welchem Bereich (es gibt selbstverständlich auch Qualität im Boulevard oder auf Online-Newsportalen): In der Ausbildung und beim Schreiben jedes einzelnen Textes.“
„Behalte Deinen Elan, tu, was Dir am besten gefällt. Das klingt pathetisch…“
„Leute treffen, vor Ort gehen.“
„Geh tief!“
„Versuch, Deine Nische zu finden und baue Dir bald einen Ruf als ‚Marke‘ auf.“
„Die eigenen Werte immer beihalten.“
„Sorge Dich nicht, kämpfe.“
Dranbleiben und nicht aufgeben.“
„Studium machen – eventuell Wirtschaft, Jus. Bei Politik versteht man auch so. Geschichte kann man nachlesen.“
„Es lohnt sich!“
„Offen sein, neugierig und Dir ein politisch vertieftes Wissen aneignen – das hilft stark.“
„Nicht jammern, sondern auf Ehrgeiz und Bescheidenheit setzen.“
„Bleib dran. Sei multimedial. Sei unbequem. Und mach den Job für die Sache und nicht für Dich.“
„Eine richtige Ausbildung machen und sich in Themen vertiefen.“
„Diversifiziere Dein Skillset.“
„Hab eine Haltung!“
„Mehr Gelassenheit, Ernsthaftigkeit und Sachlichkeit.“
„Theorie ist nicht alles.“
„Es wird nicht leichter.“
„Die Herausforderungen der heutigen Medienwelt annehmen, statt sich an rückwärtsgewandte Konzepte zu klammern.“
„Sucht Euch einen anderen Job.“
„Die Leidenschaft nicht verlieren.“
„Sich nie als Person in den Mittelpunkt der Berichterstattung stellen.“
„Mit möglichst vielen Kollegen über die zu schreibende Geschichte reden. Oft merkt man erst dann, wo die eigentliche Geschichte steckt.“
„Qualität hochhalten.“
„Um die Ecke denken.“
„Sei bereit, Dein Brot auch freiberuflich zu verdienen. Mache Deine Ausbildung oder Dein Volontariat bei einem renommierten Verlag, sonst arbeitest Du hinterher in Hintertupfingen. Studiere vorher etwas anderes als Journalismus; spezialisiere Dich auf ein Themengebiet, was Dich interessiert, und an dem künftig auch Leser noch Interesse haben werden. Begeistere Dich für die neuen Möglichkeiten, die die Technik dem Journalismus bietet, und fange frühzeitig an, damit zu experimentieren.“
„Lasst uns schaffen!“

In welchem Bereich arbeitest Du?
Hier waren wieder Mehrfachnennungen möglich.

Zum Start der Deutschen HuffingtonPost

Heute (10.10.2013) um 10.10 Uhr startet die deutsche Ausgabe der HuffingtonPost. Im Vorfeld wurde schon unglaublich viel darüber diskutiert und natürlich hatte auch fast jeder Medienbeobachter/Journalist eine Prognose zum möglichen Erfolg oder Misserfolg abgegeben.

Prognosen sind eine ziemlich doofe Angewohnheit der Presse. Klar, es macht unglaublich Spass, eine solche zu schreiben. Und wenn es dann wirklich wie erwartet eintreffen sollte, wird der alte Artikel hervorgekramt und stolz herumgereicht. Sieht her, ich wusste es schon immer! Kommt es anders, wird die Prognose frei nach Adenauer tief im Archiv vergraben.

Man müsste sich einmal vorstellen, wenn Politiker dauernd solche Prognosen abgeben würden. Die Schelte der Presse würde nicht lange auf sich warten lassen. Oder wenn der Automechaniker die Lebenszeit des Verteilers voraussagen versuchen würde. Da würde man sich als Kunde verarscht fühlen, wenn es denn anders eintreffen sollte. Aus dieser Sicht sollten sich die Journalisten vielleicht nicht wundern, wenn sie nur wenig Ansehen geniessen. Auch unsere Kunden erinnern sich an Voraussagen und Versprechungen.

Journalismus für Angeber

Häufig werden im Journalismus grosse Worte beim Anpreisen einer Geschichte benutzt. Und ebenso häufig steckt wenig dahinter. Deshalb eine kleine Übersicht, die beim Einordnen der Meldung helfen soll. Selbstverständlich gibt es keinen Anspruch auf Vollständigkeit und weitere Hinweise sind immer willkommen. Ihr dürft auch gerne fragen, wenn Ihr eine Floskel vermisst und nicht genau wisst, was sie bedeutet.

Journalist:
„Geheimpapier entdeckt!“
Bedeutet:
„Ich habe als einziger Journalist in der Medienmitteilung bis auf Seite 37 gescrollt.“

Journalist:
„Ich habe da mal recherchiert.“
Bedeutet:
„Ich habe beim Mediensprecher nachgefragt.“

Journalist:
„Exklusiv!“
Bedeutet:
„Alle anderen Medien hätten diese Geschichte auch haben können, aber darin keine Relevanz gesehen.“
„Ein Nicht-Journalist hat die Geschichte vor Tagen auf Twitter verlinkt und kein anderes Medium in unserem Land hat die Story aufgenommen.“
(Übrigens: Exklusiv gibt es in verschiedenen Ausführungen. Weltexklusiv, National-Exklusiv, Medium-Exklusiv, Mediengruppe-Exklusiv, usw.)

Journalist:
„Breaking News!“
Bedeutet:
„Gerade jetzt im Agentur-Feed entdeckt.“
„Wurde gerade an der Pressekonferenz gesagt.“
„Endlich ist die Sperrfrist abgelaufen und ich darf es sagen, obwohl es schon alle wissen.“

Journalist:
„Meine Reportage zu …“
Bedeutet:
„Habe mich mit dem Kürzen der Nachricht äusserst schwer getan.“

Journalist:
„… wollte dazu keine Stellung nehmen.“
Bedeutet:
„Ich habe die Anfrage kurzfristig versendet und noch keine Antwort bekommen. Aber die Geschichte musste ich unbedingt jetzt schon bringen, weil alle anderen Medien auch dran sind.“

Autorisieren lassen oder nicht?

Jimmy Carter Library, Atlanta, GA/The U.S. National Archives

Erst kürzlich nervte sich mal wieder ein Journalist öffentlich über die Autorisierungs-Praxis von Pressestellen. Michael Hug, Chefredaktor der „Berner Zeitung“, schrieb auf persoenlich.com, wie die Kommunikationsabteilung der Post Fragen/Antworten strich, weil das Interview nur drei bis fünf Fragen enthalten dürfe. Grund war ein abgemachtes Exklusiv-Interview mit einem anderen Blatt.
Ein anderes Beispiel: Nach einer Medienkonferenz verweigert eine Person Interviews, weil sie ein solches exklusiv einer Zeitung versprochen hat.
Jeder Journalist kennt zudem das Gefühl, wenn man ein Interview nach der Autorisierung komplett verändert zurück bekommt. Meist gibt es dann ausufernde Antworten, die so nie jemand lesen würde, vermischt mit unverständlichen Fachausdrücken, die nur in der Branche des Interviewten verwendet werden.
Jetzt kann man sich darüber streiten, ob Autorisierungen ein Segen oder ein Fluch sind. Die New York Times hat diese Praxis gleich ganz abgeschafft und andere US-Medien sind diesem Beispiel gefolgt. Zumindest beim Spiegel findet man das Autorisieren lassen nicht so schlimm.
Immer wenn solche Geschichten, wie jene aktuell der Post/Berner Zeitung, auftauchen, werden wieder Stimmen laut, die zu einem Umdenken auffordern. Meiner Meinung nach ist das nicht nötig. Ich habe nur selten schlechte Erfahrungen mit Autorisieren gemacht. Und wenn doch mal jemand völlig über das Ziel hinaus geschossen hat, habe ich die Person darauf aufmerksam gemacht, dass sie das so gesagt habe und dann gemeinsam einen Kompromiss gesucht. Schliesslich geht es auch um gegenseitigen Respekt.
Noch ein Lösungsvorschlag: Wieso gründen nicht einfach alle Zeitungen zusammen ein internes Radio. Dort gibt es nur Live-Interviews, die lediglich von den eigenen Redaktionen gehört werden. Wenn sie das Radio dann noch „Unsere Zeitung“ nennen würden, könnten die Journalisten danach in ihren Artikeln immer schreiben: „Wie xy gegenüber unserer Zeitung gesagt hat.“

Eine Woche Medienlinks.ch

Seit einer Woche habe ich ein kleines Projekt. Auf medienlinks.ch teile ich werktäglich deutschsprachige Links zu Meldungen aus der Medienwelt. Bisher aufgefallen:

– Künftig will ich mich vermehrt auf Gedanken zur Medienwelt konzentrieren. Dafür weniger Personelles oder Organisatorisches bringen.

Storify ist ein gutes Tool, um schnell und übersichtlich solche Links zu teilen.

– Gerne hätte ich bei Storify die Funktion „Weitere Links zu diesem Thema“. Könnte ich natürlich auch mit Hyperlinks im Text lösen. Natürlich nicht so elegant.

– Bisher waren meine Links sehr CH-lastig. Will mehr Medien-Seiten aus Deutschland und Österreich finden.

– Bei jedem Link ein „via …“ setzen? Oder einfach kommentarlos rein?

– Soll ich eine Email-Adresse oder ein Webformular hinterlegen, damit mir spannende Geschichten geschickt werden können?

– Was mache ich bei Abwesenheiten? Möglich: Einen Tag ausfallen lassen oder den Account einem Gast-Kurator übergeben.

So. Das sind so ganz spontan einige Gedanken zu medienlinks.ch und der ersten Erfahrungswoche damit.

Kommentare zu medienlinks und zu den einzelnen Punkten sind herzlich willkommen!

Das Polizeiradio in Boston

Die Ereignisse von Boston haben mich wieder zu einem Radiohörer gemacht. Zumindest teilweise. Ich habe gebannt dem Polizeifunk der Einsatzkräfte gelauscht. Im Internet fanden sich mehrere Streams dazu. Die Polizei hat nach einigen Stunden jedoch die Stationen gebeten, die Streams abzuschalten, um die laufenden Ermittlungen nicht zu gefährden.

@LuziaTschirky stellte dann die entscheidende Frage: Wie kann man ein solches Polizeiradio verifizieren? Schande über mich, da ich mir dies nicht überlegt habe.

Also habe ich mich auf die Spurensuche gemacht. Der einfachste Weg: Direkt bei der Polizei fragen. Leider habe ich bis jetzt keine Antwort erhalten – was aber auch verständlich ist. In Boston haben sie jetzt wirklich wichtigere Probleme.

Weil auf diesem Weg keine Antwort zu erwarten war, habe ich noch einen anderen Weg gewählt. Zuerst habe ich die rechtliche Situation abgeklärt: Darf man in den USA Polizeiradio abhören? Informationen dazu finden sich im Electronic Communications Privacy Act. Man darf. Besonders schön ist der Zusatz, dass man die gewonnene Information nicht für illegale Zwecke brauchen darf.

Aus dieser Recherche wusste ich nun immerhin, dass es möglich ist, dass es sich bei den Streams um einen „richtigen“ Polizeifunk handeln kann. Danach habe ich in Funkforen nach den Frequenzen des Polizeifunks von Boston gesucht. Diese Frequenz habe ich dann mit einem Ustream-Video abgeglichen. Im Video war ein Funk-Scanner, der auf dieser Frequenz eingeschaltet war, zu sehen. Die Tonspur war identisch mit den Audiostreams auf den anderen Seiten. Natürlich hätte jemand auch einfach diesen Stream mitschneiden und ein abgeschaltetes Funkgerät zeigen können.

Als weitere Verifikation habe ich direkt Leute in Boston angeschrieben (über eine Mailingliste, die sich häufig mit Rechtsfragen beschäftigt) und diese Personen gefragt, ob sie für mich den Polizeifunk hören und das Signal mit den Audiostreams abgleichen können. Auch hier gab es Übereinstimmungen.

Damit ist für mich klar, dass im gehörten Audiostream wirklich der Polizeifunk wiedergegeben worden ist.

Whodunit – der Umgang mit Verdächtigen und Tätern

Das FBI veröffentlicht Bilder von Verdächtigen der Bombenanschläge beim Boston Marathon. Und die Medien? Die bringen diese Bilder. Schliesslich hoffen die Behörden auf Hinweise aus der Bevölkerung. Die Medien helfen gerne. Nur: Ist es überhaupt sinnvoll, die Bilder auch ausserhalb der USA, ausserhalb des Grossraumes Boston, zu veröffentlichen? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Verdächtigen in St.Gallen oder in Como aufhalten?

Wer die Gesichter der mutmasslichen Täter (es gilt noch immer die Unschuldsvermutung) interessiert, der kann die Bilder wohl ohne grosse Probleme im Internet finden. Doch auch hier wieder: Was ist die Motivation dahinter? Eine mögliche Erklärung ist, dass mit solchen Bildern dem Bösen, dem Unvorstellbaren, ein Geischt gegeben wird. Ähnliche Diskussionen führten wir in der Redaktion übrigens schon bei Anders Breivik.

Bilder und Beschreibungen von Tätern fördern immer auch Vorurteile. War der Täter ein tätowierter Rechtsextremist? Eine Asylsuchende aus dem nordafrikanischen Raum? Spannend wäre folgendes Experiment: Bei allen Straftaten wird Alter, Geschlecht und Nationalität nur noch dann genannt, wenn diese Attribute einen Zusammenhang mit der Tat haben. Ein Raser wird zum Beispiel nicht durch seine Nationalität oder sein Alter zum Raser. Und ob ein Mörder nun 20 oder 35 Jahre alt ist, tut eigentlich nichts zur Sache.

Update: Wie gefährlich es ist, die Bilder und Namen von mutmasslichen Tätern zu bringen, hat sich bei den Anschlägen in Boston wieder einmal gezeigt. Eine der grössten Schweizer Zeitungen hatte einen halben Tag lang nach einem völlig anderen „Täter“ gefahndet. Mit Bild. Und Name. Und auch wenn dieser Artikel nun gelöscht worden ist, ist er über den Cache noch immer auffindbar. Gerne erinnere ich bei dieser Gelegenheit an Richard Jewell.