Interview mit Mörgeli in der Rundschau

Das Interview mit SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli vom 27. März in der Rundschau hat viele Reaktionen erzeugt. Oftmals haben Moderator Sandro Brotz und Christoph Mörgeli gleichzeitig gesprochen. Und deshalb hab ich heute nochmals genau nachgehört, was eigentlich gesagt worden ist. Und das ganze in Textform gebracht.

Hier also nochmals für alle:

Sandro Brotz: Guten Abend Herr Mörgeli, danke dass Sie sich unseren Fragen stellen. Herr Doktor Mörgeli, klären wir doch zuerst einmal gemeinsam einen Begriff: Was ist für Sie persönlich eine Dissertation?

Christoph Mörgeli: Die Frage ist falsch gestellt. Sie müssen fragen: ‚Was geht da im Moment ab?‘ Sie müssen die Situation am Medizinhistorischen Institut anschauen, wo zwei meiner Mitarbeiter mit dem Tagesanzeiger zusammengearbeitet haben, staatsanwaltschaftlich verhaftet wurden, wo Herr Condrau im Moment nicht im Amt ist – vier Leute sind weg von diesem Institut, Ausstellungen gibt es keine mehr.
Und die Leute, die jetzt freigestellt sind, haben natürlich ein Interesse, mich nachträglich zu verdrecklen. Sie werden da instrumentalisiert, Sie haben wieder amtsgeheime Dokumente bekommen, wie wir das bereits kennen, zum Beispiel Beurteilungen von Dissertationen. Und der Herr Meschenmoser, der dieser Film gemacht hat, ist früher WOZ-Autor gewesen, von der linksextremen Wochenzeitung, genauso wie Herrn Condrau, mein Chef, der ebenfalls früher in dieser linksextremen Zeitung geschrieben hatte.
Wissen Sie: Passen Sie auf! Sie werden instrumentalisiert als Schweizer Fernsehen in einem Akt, in dem man mich politisch fertig machen will.

Brotz: Gut, das ist jetzt mal Ihre Einschätzung, wie Sie das ganze sehen. Wir kennen uns schon seit vielen Jahren: Sie als Politiker ich als Journalist. Ich glaube, Sie können einschätzen, dass es mir bisher immer um die Sache gegangen ist und ich bitte Sie, Herr Mörgeli, dass wir miteinander jetzt auch in dieser Zeit, die wir haben, dass wir diese nicht unnötig verbrauchen, sondern wirklich über die Sache, über den Kern, reden.
Was ist für Sie – ich erlaube mir, diese Frage nochmals zu stellen – was ist für Sie eine Dissertation?

Mörgeli: Eine Dissertation – und ich sage das als Medizinhistoriker, ich sage das nicht als Professor für Kommunikation, wie diese Genferin, die Sie da gehört haben [im Einspielfilm] – ist, …

Brotz: Renommierte Plagiatsexpertin..

Mörgeli: … speziell für Detailhandel, also sie versteht sicher etwas davon, wie man Tomaten ins Regal stellt, da würde ich ihr auch nicht reinreden, aber sie versteht nichts von Medizingeschichte und sie kann da auch die Wissenschaftlichkeit nicht beurteilen – genauso wenig wie Sie.
Und wenn Sie behaupten, eine Transkription, eine Edition eines Textes eines Originals, …

Brotz: ..also eine Abschrift, eine reine Abschrift…

Mörgeli: …sei problematisch: Entschuldigen Sie, aber Sie haben gesehen, wie diese Originale ausgesehen haben. Das ist sehr anspruchsvoll. Und das erfordert eine ganze Menge Zeit und Mühe. Das ist eine historische – das ist eine wissenschaftliche – Arbeit. Ich selbst habe 820 Seiten über Biedermeier gearbeitet…

Brotz: … das stellt niemand in Frage, wir reden über auch nicht über Ihre Schriften, sondern wir reden über diese Dissertationen, die in der Zentralbibliothek zu finden sind…

Mörgeli: … und auch da ist ein Text übersetzt. Das ist mir klar. Sehen Sie, diese Dame in Genf, diese Dame in Genf, hat ganz sicher meine sämtlichen Arbeiten durchgeschaut. Alle meine 33 Bücher, meine mehrere hundert Publikationen. Da hat sie offenbar nichts gefunden. Jetzt hat sie ein paar Sachen bei den Publikationen, die…

Brotz: … gut, dann sage ich Ihnen jetzt, was eine Dissertation ist … ich sage Ihnen schnell, was eine Dissertation ist …

Mörgeli: Ich frage Sie noch etwas: Wer hat diese Dame eigentlich bezahlt für diese Studie? War das das Schweizer Fernsehen? Waren das die Konzessionszahler? Ist das die Universität Zürich – also auch wieder die Steuerzahler? Ist das vielleicht das Erziehungsdepartement der SP-Frau Aeppli? Ist das der Herr Brändli, der dort wirkt, ebenfalls SP?

BrotzHerr Mörgeli, Sie sind da am Ablenken, ich möchte mit Ihnen…

Mörgeli: Nein! Ich möchte jetzt wissen: Wer hat das bezahlt?

Brotz: Ich möchte mit Ihnen über diese Dissertationen reden, die wissenschaftlich …

Mörgeli: Nein! Sagen Sie mir doch kurz, wer hat das bezahlt? Wer hat die Untersuchung gegen mich bezahlt?

Brotz… die wissenschaftliche, selbständige Arbeiten sind. Normalerweise eine Dissertation – kommt von Dissertatius dem Lateinischen – ich möchte Ihnen eine überreichen, die Sie selbst ja schon gesehen haben. Sie sehen es da: Das ist der Teil der Einleitung: Eineinhalb Seiten, eineinhalb Seiten, sechs Seiten Zusammenfassung, alles dazwischen, die 109 Seiten, ist einfach abgeschrieben.

Mörgeli: Ist das…

Brotz: Moment! Ist das eine Dissertation? Ist das ein Doktortitel wert?

Mörgeli: Sie können sich überlegen: Wollen Sie Dissertationen rausgeben, wo Doktoranden zwei Bücher abschreiben und ein einziges neues drittes zusammenschmieren. Und dann kommt dann die Frau Professorin, Grossinquisitorin, aus Genf – in Genf hat man übrigens schon einmal jemanden verbrennt, da muss man ein bisschen aufpassen, wenn sie da der Uni Zürich sagt, was sie zu tun hat..

BrotzIch wäre froh, wenn Sie mit der Begrifflichkeit ein bisschen aufpassen würden…

Mörgeli: Ich muss Ihnen nochmals etwas sagen: …

BrotzIch habe hier noch weitere Dissertationen. Bitte da dazu Stellung nehmen, inhaltlich.

Mörgeli: Was da, was da, inhaltlich gemacht worden ist, das ist ein wissenschaftliches Umgehen mit unseren reichhaltigen Beständen in den Handschriften, als ich Leiter war. Man hat mir vorgeworfen, ich hätte zu wenig gemacht mit meiner Sammlung, ich hätte zu wenig gemacht mit den Handschriften, ..

BrotzDarum haben Sie Studenten alte Schriften gegeben, die sie dann in Ihrem Sinn und Geist übersetzt haben, damit Sie sie im Museum brauchen konnten?

Mörgeli: Es ist ganz wichtig, dass wir das aufbewahren können, das wir das der Nachwelt überbringen können. Das sind Originale. Und die Frau Professorin ist Spezialistin für Plagiate und für Fälschungen. Hat sie mir irgendein Plagiat vorgeworfen oder einem Doktoranden? Hat sie irgendeine Fälschung vorwerfen können? Das kann man nicht!

BrotzWir reden nicht von Fälschungen! Herr Doktor Mörgeli, Sie hören wieder nicht ganz genau zu.

Mörgeli: Ja! Aber die Wissenschaft kann sie nicht beurteilen.

Brotz: Wir reden nicht über Fälschungen. Wir reden über Abschriften, Umschriften, die Sie da gemacht haben. Ich frage Sie einmal ganz direkt: Glauben Sie, in Bern oder Basel wäre das möglich? Meinen Sie, so etwas – ich habe da weitere Beispiele – Sie sehen da das selbe Prinzip: Ein bisschen Einleitung, ein bisschen Zusammenfassung – 100 Seiten abgeschrieben. Es steht sogar noch drin, dass es abgeschrieben ist.

Mörgeli: … und kommentiert mit Anmerkungen. Das ist eine grosse Arbeit.

Brotz: Es sind dürftige Anmerkungen. Es sind zwei Seiten Anmerkungen …

Mörgeli: Herr Brotz, Sie könnten kein Wort lesen von diesen Schriften. Das ist anspruchsvoll, diese zu entziffern, diese in einen grösseren Zusammenhang zu stellen. Und das ist ein grösserer Beitrag zur Wissenschaft, als wenn man jetzt…

Brotz: Es ist nicht mein Job – es ist nicht …

Mörgeli: …die Altmediziner…

Brotz: …mein Job das verstehen zu müssen. Mein Job ist es, Fragen zu stellen. Und ich frage Sie nochmals, Sie sind der Frage ausgewichen: Würden Sie glauben, in Bern und Basel wäre das möglich, was Sie da mit Ihren Dissertationen gemacht haben?

Mörgeli: Mein Vorgänger, der Professor in Bern geworden ist – Lehrstuhl-Inhaber – der hat einen Text ediert, von einer Parisreise von zwei Schweizer Studierenden aus dem 18. Jahrhundert. Der hat einen lateinischen Text ediert, kommentiert, eingeleitet. Das ist eine Habilitationsschrift, genauso wie diese. Das können auch Doktorate sein. Jetzt möchte ich Ihnen mal dies sagen: Wenn sie sechzig Dissertationen haben, haben sie immer eine Enttäuschung.

BrotzEine Enttäuschung? Moment, wir reden von zwölf Enttäuschungen! Sind es mehr als zwölf? Wissen Sie mehr?

Mörgeli: Das ist nicht die Enttäuschung. Die Enttäuschung ist, wenn er sagt, er habe für Geld das machen lassen.

BrotzIn Bern und Basel wäre das nicht möglich…

Mörgeli: Der Herr hat unterschrieben… Der Herr hat unterschrieben, dass er das selbst gemacht hat. Er hat in diesem Fall gelogen. Und wenn Sie finden, er sei gemeingefährlich als Hausarzt: Sie haben seinen Namen, Sie können den der Universität melden. Das ist ein Betrüger. Aber, entschuldigen Sie, eine Enttäuschung gibt es halt.

BrotzIn Bern und Basel wäre das nicht möglich, was Sie da gemacht haben, das heisst, Sie haben eigentlich nur Schreibfehler korrigiert in diesen Dissertationen.

Mörgeli: Nein! Ich hatte natürlich auch sehr viel Arbeit gehabt mit ausländischen Studierenden. Ich habe meinen Auftrag darin gesehen, dass ich Mediziner und auch Zahnmediziner in die Wertschöpfung entlassen kann – in den Beruf. Und ich habe gewusst, die haben einen strengen Beruf, die haben auch sehr viel klinische Arbeit. Ich habe ihnen etwas gegeben, das sie auch zu Hause, am Wochenende oder am Feierabend, haben machen können. Und das ist eine sehr sinnvolle wissenschaftliche Arbeit.

BrotzEine sinnvolle wissenschaftliche Arbeit für Ihr Museum! Sie haben diese Studenten letztlich ausgenutzt, um Arbeiten, alte Schriften aus Ihrem Archiv hervor zu holen und daraus dann eine Doktorarbeit zu kreieren, die Sie dann durchgewinkt haben.

Mörgeli: Nein, ich habe die nicht durchgewinkt. Ich habe jetzt zum Beispiel diese Texte gebrauchen können für eigene Forschung. Das ist doch selbstverständlich…

Brotz: …die haben Sie nicht einmal selbst gemacht! Die haben ja sogar noch Leute geholt – Übersetzer – die sie bezahlt haben…

Mörgeli: Das ist verboten.

BrotzAber dann müssen Sie doch merken… Entschuldigung, Herr Mörgeli, Sie waren der wissenschaftliche Leiter von diesen Dissertationen, Sie merken doch, wenn jemand vor Ihnen sitzt, der die Sprache nicht kann, der einen Übersetzer braucht.

Mörgeli: Nein, also wenn der das kauft, nein also so leid mir das tut: Das ist ein Betrug. Das können Sie melden, Sie kennen die Namen.

BrotzSie weisen die Schuld auf Ihre Studenten, obwohl Sie den Antrieb gegeben haben.

Mörgeli: Schauen Sie: Ihre Arbeit, wie Sie so etwas darstellen, mit anonymisierten Quellen, finde ich unethisch. Ich bin in meinem politischen und wissenschaftlichen Leben immer hingestanden mit dem Gesicht.

BrotzHerr Mörgeli, Sie haben genau auch schon mit anonymen Quellen gearbeitet. Das wissen wir beide.

Mörgeli: Ich?! Wann?

BrotzIch erinnere Sie daran…

Mörgeli: In meinem Kampf bin ich immer hingestanden.

BrotzIch erinnere Sie daran, dass es Redaktionsgeheimnis gibt, dass es einen Quellenschutz gibt und dass ich selbstverständlich meine Quellen nicht offenlegen werde.

Mörgeli: Jetzt sage ich Ihnen noch etwas: Der Herr Condrau hat mir gesagt, er sei mit dieser Arbeit nicht zufrieden.

Brotz: Es geht nicht um den Herrn Condrau, es geht…

Mörgeli: … dann habe ich ihm gefragt, …

Brotz: …um diese Dissertationen…

Mörgeli: … geben sie mir, Herr Condrau, …

Brotz: …die reine Abschriften sind…

Mörgeli: … eine Dissertation … – Darf ich? Sie haben mich doch eingeladen, dass ich rede. – Geben sie mir eine Dissertation, Herr Condrau, bei der sie finden: das ist gut. Eine, die sie betreut haben. Ich habe drei Mal gefragt. Er hat mir nie eine gegeben. Warum? Er hat noch nie selber eine Dissertation betreut.

Brotz: …es geht nicht um ihn …

Mörgeli: Er hat auch keine Habilitation geschrieben wie ich.

Brotz: Das haben wir begriffen.

Mörgeli: Er hat noch nie eine Ausstellung gestaltet…

BrotzDoktor Mörgeli, es geht nicht um den Herrn Condrau…

Mörgeli: Er hebelt jetzt im Hintergrund gegen mich, das merken Sie.

BrotzEs geht um diesen Stapel …

Mörgeli: … Sie haben Amtsgeheimnisse, Sie haben geheime Akten ….

Brotz…um diese Dissertationen …

Mörgeli: … auch von Herrn Rüttimann, die er unterschrieben hat …

BrotzZum Aufdecken braucht es manchmal Informationen, die von einem Amt kommen…

Mörgeli: Ja, Sie haben dort Informanten, die sich noch wollen bedrecklen im Nachhinein

Brotz: …ja, ja…

Mörgeli: Meine Arbeit, entschuldigen Sie, 60 Dissertationen habe ich geleitet,

BrotzDavon mindestens 12 fragwürdig…

Mörgeli: …da können Sie natürlich etwas diskutieren. Aber wenn Sie nichts machen, dann gibt es natürlich nichts zu diskutieren. Das ist klar.

BrotzGut, Herr Mörgeli, Ihr Ruf als Wissenschaftler hat gelitten. Eindeutig. Auch Ihre Glaubwürdigkeit als Politiker. Sie wären der Erste, der sagen würde: ‚Treten Sie zurück!‘ Ich frage Sie, Herr Mörgeli, da in der Rundschau: Treten Sie zurück?

Mörgeli: Sind Sie eigentlich vom Aff gebissen? Wenn einer zurücktritt, dann können Sie sich das in der Rundschau überlegen. Wenn Sie sich so instrumentalisieren lassen von einer zum Teil kriminell handelnden Partei. Von Leuten, die mich rausgemobbt haben …

Brotz… für meine Kollegen lege ich meine Hand ins Feuer. Für meine Kollegen, die das recherchiert haben …

Mörgeli: Entschuldigen Sie: Das sind alte WOZ-Kollegen. Im Fernsehen sind alles extreme Linke in solchen Formaten – ich habe zumindest noch keine anderen gesehen – und diese wollen mich fertig machen als SVP-Politiker. Meinen Sie, ich gehe wegen dem?

Brotz: …also…

Mörgeli: Sie haben es ja fertig gebracht, ich bin ja da nicht mehr an der Uni, soweit sind sie schon, aber im Nachhinein sagen, es seien wissenschaftliche Gründe, das wissen Sie, das stimmt nicht. Mein früherer Chef hat…

Brotz: …wir müssen einen Punkt machen…

Mörgeli: Fernsehauftritte von mir analysiert …

BrotzHerr Mörgeli, unsere Sendezeit …

Mörgeli: …schriftlich Fernsehauftritte …

BrotzHerr Mörgeli, ich bedanke mich…

Mörgeli: … politische Auftritte…

Brotz: …dass Sie hier in der Sendung waren. Ich verstehe Ihre Aufregung, aber…

Mörgeli: …überlegen Sie sich einmal…

Brotz: …aber ich bitte Sie auch, zu akzeptieren, dass wir die Fragen haben müssen und dürfen stellen. Ich habe…

Mörgeli: Ja! Aber überlegen Sie sich einmal…

BrotzIch halte fest, dass Sie nicht zurücktreten aufgrund dieses Tatbestandes…

Mörgeli: … ob Sie Ihren widerwärtigen Journalismus so wollen weiterführen. Überlegen Sie sich doch das in dieser Nacht.

BrotzChristoph Mörgeli, danke vielmals, dass Sie da live in der Rundschau waren.

Die schönen Seiten

Ich bin nun seit etwas mehr als zehn Jahren als Online-Journalist tätig. Immer wieder werde ich gefragt, wieso ich nicht in den Print wechsle. Auch jedes Jahr beim Personalgespräch kommt die Frage, wo ich mich in Zukunft sehe. Und ich kann mir – zumindest zum jetzigen Zeitpunkt – keinen anderen Job vorstellen. Ich will weiter für ein Online-Portal schreiben. Hier einige Gründe für den Journalismus und für den Online-Job im Allgemeinen (Reihenfolge ist zufällig):

1. Ich kann nicht anders. In der Schule war ich nie wirklich ein As. Ok, ich hab in der Mathe die Logik hinter den Gleichungen ziemlich schnell begriffen und habe die Matura (Typ B) geschafft. Aber es war mühsam. Für alle Beteiligten. Ich war zu faul. Ich wollte nicht lernen. Ausser in Deutsch. Dort hatte ich immer gute Noten. Ich schreibe gerne. Der Vorteil als Journalist (etwas übertrieben ausgedrückt): Ich muss nichts wissen. Ich darf Wissende ausfragen und fülle so meine Wissenslücken. Und dann darf ich ganz klugscheisserisch dieses Wissen weitergeben.

2. Das liebe Geld. Ich habe bis zu meinem 30. Lebensjahr gerade mal etwa 2000 Franken im Monat verdient. Es war nicht immer einfach, aber ich hatte meine Freiheiten, da ich immer Teilzeit (Stundenlohn) gearbeitet habe. Seit 2008 arbeite ich beim St.Galler Tagblatt in der Online-Redaktion 100% und verdiene dementsprechend auch mehr. Ziemlich sicher gibt es irgendwo da draussen Jobs, bei denen ich mehr verdiene. Aber würden mich diese auch so glücklich machen?

3. Freiheit. Online-Journalisten sind in der Regel gegenüber den Printjournalisten in einer Redaktion in der krassen Unterzahl. Das mag ein Nachteil für das Produkt sein, aber individuell ist es ein massiver Vorteil. Ich darf alle Arten von Geschichten schreiben. Ein Inland-Redaktor beim Print schreibt über politische Geschichten mit Schwerpunkt Bundesbern. Ein Wirtschaftsredaktor schreibt über Firmen. Ein Sportredaktor über Sport. Ein Arbeitsalltag bei mir: Ich mache ein Interview mit dem Trainer des FC St.Gallen und danach frage ich bei einem Wirtschaftsethiker der HSG noch wegen hohen Abgangsentschädigungen nach. Vielleicht kommt dazwischen noch eine Polizeimeldung, die einer Nachfrage bedarf. Und der Print übernimmt meine Geschichten gerne – egal in welchem Ressort. Das ist vielleicht sogar der Hauptgrund für meine Liebe zum Online-Journalismus. Ich muss mich nicht auf ein Kerngebiet festlegen. Ich bleibe offen. Und ich bin mir sicher, dass zum Beispiel mein fehlendes Wirtschaftswissen kein Nachteil für den Leser ist. Im Gegenteil: Ich kann unbedarft an die Geschichte gehen und mir alle Aspekte von einem Experten erklären lassen. Und dann auch so schreiben, dass die Geschichte auch Leute verstehen, die kein Wirtschaftsstudium abgeschlossen haben.

4. Freiheit II. Im Online-Journalismus wird man häufig nicht wirklich ernst genommen. Zum Glück. Eine gewisse Narrenfreiheit macht unabhängig. Im Journalismus ein wichtiges Instrument. Und Gesprächspartner reden frisch von der Leber weg. Natürlich halte ich mich trotzdem an unsere journalistischen Regeln und lasse die Zitate immer gegenlesen.

5. Ich schreibe – immer. Selbstverständlich gibt es aktuelle Geschichten, die man schnell mal online stellen muss/will. Aber das heisst noch lange nicht, dass damit die Arbeit getan ist. Ich kann die Geschichte ausbauen, neue Stimmen einholen und auch einen Kommentar dazu schreiben. Ich habe all diese Freiheiten. Eine Geschichte muss nie fertig sein. Sie darf sich entwickeln. Halt wie im richtigen Leben. Ich bin also immer näher an der Wirklichkeit, als es jeder Print-Journalist jemals sein kann.

6. Ich muss mich nicht beschränken. Damit meine ich die Zeichenanzahl. Im Print muss man Geschichten häufig zuspitzen und kürzen. Damit geht viel verloren. Im Online habe ich keine Beschränkung und kann Zusatzinformationen einfügen, kann ein langes Interview führen, kann viel mehr Aspekte in eine Geschichte bringen.

7. Ich muss nicht labern. Beim Print muss man häufig in eine vorgegebene Form schreiben. Da sind zum Beispiel 500 Zeichen gefragt. Nun fehlt eine Zeile im Text. Was macht also der Printjournalist? Er reichert den Text mit Füllwörtern an. Der Text wird beliebig. Vielleicht ist am Morgen eine PK zu einer bahnbrechenden Entwicklung in der Rosenzucht angekündigt. Und im Print wird dazu mal vorsorglich ein dreispaltiger Text vorgemerkt. Jetzt ist diese „bahnbrechende Entwicklung“ womöglich doch keine so grosse Story. Und das merkt man erst um 20 Uhr. Also wird im Print einfach doch diese Geschichte als wichtig verkauft oder eine Ersatzgeschichte gebracht, die offenbar so unwichtig ist, dass man sie mehrmals verschoben hat oder aus einem anderen Grund nicht bringen wollte. Im Online: Kurzmeldung. Abgehakt.

8. Mut zur Lücke. Ja, im Print ist der Platz für Geschichten beschränkt. Im Online könnte man jede Story bringen. Macht man aber nicht. Vielleicht bringt man mehr. Aber ich schätze den Leser als genug intelligent ein, dass er selbst entscheiden kann, welche Geschichte er haben will. Wir bekommen täglich unglaublich viele Medienmitteilungen. Und wir bringen davon im Online vielleicht zwei-drei täglich. Ist im Print am Abend noch irgendwo eine Lücke, wird einfach eine Mitteilung gesucht, die dann noch dort reinpasst.

9. Ist nix – ist nix. Es gibt solche Tage. Jeder Journalist kennt sie. Da läuft einfach nichts. Also zumindest nichts, das mich als Journalist anspricht. Oder so relevant ist, dass man einfach etwas darüber schreiben muss. Im Online bekommen wir dann genug Meldungen von den Agenturen. Ich muss nicht um jeden Preis eine Geschichte aus leerer Luft konstruieren. Im Online gibt es keine Lücken (siehe Punkt 8).

10. Ich komme in der Welt rum. Damit meine ich nicht nur, dass ich Geschichten aus aller Welt schreiben kann. Meine Geschichten erscheinen online. Können also aus allen noch so fernen Ländern gelesen werden. Klar: Ich mache mir keine Illusionen, dass irgendjemand aus dem nicht-deutschsprachigen Raum die Stories liest. Vielleicht gehen meine Artikel ja nicht mal über die Landesgrenzen hinaus. Das ist auch nicht so schlimm. Ich habe eine grössere Chance, ausserhalb der Ostschweiz wahrgenommen zu werden, als irgendein Print-Journalist beim St.Galler Tagblatt (und wahrscheinlich sogar bei anderen Zeitungen).

Selbstverständlich gibt es noch viele andere Gründe. Zum Beispiel stimmt in meiner Erfahrung das häufig erwähnte Gerücht nicht, dass man sich beim Online keine Zeit für längere Geschichten nehmen kann. Ich kann das. Immer.

Eine Woche mit einer Smartwatch

Seit einer Woche bin ich Besitzer einer Smartwatch. Die Pebble vibriert, wenn ich ein neues Mail, eine neue SMS oder einen Anruf erhalte. An den ersten beiden Tagen war das noch ziemlich gewöhnungsbedürftig. Selbstverständlich kann man diese Notifications auch abstellen.

Besonders häufig profitiere ich von der Uhr aber nicht mal unterwegs. Zu Hause lasse ich mein Handy meist irgendwo liegen (oder lade es auf) und vergesse es dann. So kam es öfters vor, dass SMS oder Anrufe erst Stunden später von mir bemerkt wurden. Heute nicht mehr, da mich die Uhr daran erinnert.

Natürlich könnte man die Uhr noch verbessern. So gibt es zum Beispiel erst eine Einweg-Kommunikation. Ich kann also Mails nicht direkt mit der Uhr löschen. Oder SMS per Sprachsteuerung beantworten und abschicken.

Trotzdem will ich die Pebble nicht mehr missen und glaube nun nach dieser einen Woche, dass die offenbar geplanten Smartwatches von Apple, Google & Co. ein grosser Erfolg werden.