Journalisten im Büro des Boston Herald. (Courtesy of the Boston Public Library, Leslie Jones Collection/CC BY-NC-ND 2.0)
Auslöser war ein Interview von Rainer Stadler, dem Medienjournalisten der NZZ, mit der MAZ-Direktorin Sylvia Egli von Matt. Diese sagte, die Schweizer Jungjournalisten seien wieder politischer geworden. Viele würden aber nur noch „20 Minuten“ lesen und seien selbstausbeuterisch.
Der Verband „Junge Journalisten“ hat darauf bei der Basis (Journalisten unter 30) nachgefragt und eine Umfrage erstellt. Die ausführlichen Antworten und einen sehr lesenswerten Text dazu gibt es hier.
Nun wäre es aber sicher genauso spannend zu wissen, wie ältere Journalistinnen und Journalisten auf diese Fragen geantwortet hätten. Unterscheiden sich die Generationen so sehr? Und wie schätzen Journalistinnen und Journalisten über 30 ihre jungen Kolleginnen und Kollegen ein? Ich habe nachgefragt. Und 59 Personen haben geantwortet.
Wie es aber bei solch unwissenschaftlichen Umfragen halt ist, sind die Resultate mit Vorsicht zu geniessen. Die Umfrage ist keinesfalls repräsentativ. Ich weiss auch nicht, ob wirklich nur Journalistinnen und Journalisten über 30 geantwortet haben. Oder überhaupt nur Journalistinnen und Journalisten. Die Antworten lassen zwar diesen Schluss zu, aber wirklich sicher kann man ja nie sein… Zudem wurde die Umfrage hauptsächlich auf Twitter geteilt und hat deshalb wohl in erster Linie Journalistinnen und Journalisten, die dort auch vertreten sind, angesprochen.
Sind ältere Journalisten politischer als jüngere?
Bei dieser Frage gab es die Auswahlmöglichkeiten „Ja“, „Nein“, „Weiss nicht“:
Die älteren Journalistinnen und Journalistinnen schätzen sich selbst also als eher politisch im Gegensatz zu den jüngeren ein. Interpretationen dazu gibt es unterschiedliche. So heisst es in einer Antwort: „Bei Gratiszeitungen und Online-News arbeiten vor allem junge Journalisten. Dort geht es nur um ‚die Story‘ – politische Haltung ist störend.“ Oder: „Politik wirkt uncool. Junge wollen lieber über Sex statt Politik reden.“ Häufig als Grund genannt wird die grössere Erfahrung und bessere Ausbildung der älteren Journalistinnen und Journalisten.
Anders sehen das Personen, die mit „Nein“ geantwortet haben: „Als Journalist braucht es ein politisches Grundinteresse.“ Und: „Politikinteresse ist eine Charakter- und keine Altersfrage.“ Oder: „Es gab schon immer politische und unpolitische Journalisten. An der Verteilung hat sich nichts geändert und das ist auch gut so!“
Bevorzugen ältere Journalisten bestimmte politische Positionen?
Hier halten sich die Antworten einigermassen die Waage. Eine knappe Mehrheit glaubt, dass ältere Journalistinnen und Journalisten politische Positionen bevorzugen.
Spannend ist dazu natürlich, welche Positionen angeblich bevorzugt werden. Die Mehrheit lässt sich irgendwo in der politischen Mitte verordnen.
Wo ordnest Du Dich im politischen Spektrum ein?
Dieser Punkt wurde bei der Umfrage bei den Jungen Journalisten häufig kritisiert. Dort war die Frage, wie die jüngeren Journalisten ihre Journalisten-Generation einordnen. Die Frage nach der persönlichen Präferenz wurde nicht gestellt. Ich habe direkt nach der politischen Verordnung gefragt. Zugegeben: Bei den Antwortmöglichkeiten (SP, Grüne, GLP, CVP, FDP, BDP und SVP) hätte man mehr differenzieren können. Und die meisten würden wohl kaum alle Punkte des entsprechenden Parteiprogramms unterzeichnen. Auch fehlte die Möglichkeit, keine Partei auszuwählen. Und die Antworten implizieren natürlich auch nicht, dass die Journalistinnen und Journalisten diese Parteien in der Berichterstattung bevorzugen. (Zum Thema Partei und Journalisten empfehle ich diesen Beitrag von David Bauer.)
Wo würdest Du am liebsten Arbeiten?
Im Interview mit der NZZ sagt Sylvia Egli von Matt, dass junge Journalistinnen und Journalisten zu 80 Prozent ihre Zukunft in der Tageszeitung sehen. Wie ist das bei der älteren Generation? Hier die Antworten:
Ist das Journalismus-Geschäft härter geworden?
Es wird oft und gerne wiederholt: Journalismus ist ein hartes Geschäft. Und früher war ja alles besser.
Hier wurden diese beiden Aussagen ziemlich klar bestätigt. Einige Personen haben auch noch einen kurzen Kommentar zu ihrer Antwort geschrieben. Zum Beispiel: „Ja, aber dafür ist das Geschäft auch interessanter geworden.“ Oder: „Nein, heute ist inhaltsloser Empörungsjournalismus statt investigativem Journalismus gefragt.“ Als mögliche Gründe für die zunehmende Härte im Journalismus schreibt eine Person: „Mehr Zeitdruck, mehr Konkurrenz und Konvergenzdruck.“ (Ob diese Person beim TagesAnzeiger arbeitet, entzieht sich meiner Kenntnis. Die Umfrage war anonym.)
Wie nutzt Du die neuen Medien?
Die meisten haben diese Frage mit „intensiv“ (38) beantwortet. Mit Abstand am meisten wird offenbar Twitter vor Facebook genutzt. Allerdings wurde der Fragebogen wohl auch am häufigsten über Twitter geteilt und hat entsprechend aktive Twitter-Nutzer angesprochen. Facebook spielt laut den Antworten nur eine untergeordnete Rolle. Genutzt werden die neuen Medien für Recherche, Ablenkung, Linkschleuder, Informationsfindung, Liveticker und Stimmungs-Seismograph.
Wie informierst Du Dich? Welche Zeitungen liest Du regelmässig? Welche Online-Portale?
Auch hier gab es eine sehr grosse Anzahl unterschiedlicher Antworten. Mit grossem Abstand am häufigsten genannt wurden der TagesAnzeiger (22) und die NZZ (21). Danach folgen der Blick (11) und 20 Minuten (8). Mehrfachnennungen bekamen auch die Weltwoche und die WOZ (je 6). Insgesamt wurden fast 60 verschiedene Zeitungen/Online-Portale genannt. Von den ausländischen Medien die meisten Nennungen bekamen der Spiegel (11) und die New York Times (4).
Für welche Art von Journalismus bist Du bereit zu bezahlen?
Diese Frage habe ich auf Anregung von Rafael Zeier aufgenommen. Und auch hier sind die Antworten sehr unterschiedlich. Die meisten Personen haben „Reportagen und Hintergründe“ angegeben. Auch die Online-Umsetzung spielt bei der Zahlungsbereitschaft offenbar eine Rolle. Eine Person schreibt: „Für hintergründigen, investigativen Journalismus. Insgesamt für soliden Journalismus, der es nicht nötig hat, marktschreierisch tätig zu sein.“ Ganz pragmatisch ist diese Antwort: „Für Journalismus, den ich gratis nicht bekomme.“ Auch zum Bezahlmodell ist eine Antwort eingegangen: „Nur Flatgebühren wie beim TV, nicht für Einzelprodukte.“ Wichtig ist vielen Personen auch „gute Schreibe“ und „hohe Qualität“. Auch die „Einordnung“ und „Analyse“ wird häufig genannt.
Was wären Gründe für Dich, den Journalismus zu verlassen?
Für die meisten Journalistinnen und Journalisten wäre es ein Grund, den Journalismus zu verlassen, wenn sie ihre Arbeit nicht mehr mit ihrem Gewissen vereinbaren könnten (9). Gründe sind auch die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen (8) und die Finanzen (7). Sieben Personen können es sich nicht vorstellen, den Journalismus je zu verlassen. Weitere Gründe für ein Ausscheiden aus dem Beruf: Eine neue Herausforderung, gesundheitliche Probleme, fehlende Motivation, das Alter oder eine Entlassung (je 3).
Wie siehst Du die jungen Journalisten?
Viele ältere Journalistinnen und Journalisten sehen ihre jüngeren Arbeitskolleginnen und -Kollegen als „ehrgeizig“ und „ambitioniert“. Kritische Antworten überwiegen hier jedoch. „Zum Teil etwas überheblich“, „zu wenig engagiert“, „kaum belesen“, „jammernd“, „oberflächlich“, „kaum Hintergrundwissen“, „viele selbstverliebte Schwätzer“ und „überforderd“ sind einige der Rückmeldungen.
Natürlich finden sich auch postive Worte: „Mit viel Elan“, „engagiert“, „gut ausgebildet“, „motiviert“, „erfreulich realistisch“ und „den heutigen Anforderungen besser gewachsen“.
Einige Personen zweifeln, ob es wirklich Unterschiede zu den älteren Journalisten gibt: „Wer sich einsetzt und etwas kann, der setzt sich auch durch“, „es ist wie bei den älteren Journalisten: Es gibt gute und es gibt weniger gute“ und „gleich getrieben wie die alten Journalisten“.
Welchen Rat würdest Du einem jüngeren Journalisten mit auf den Weg geben?
Fast alle Personen haben hier eine Antwort gegeben. Und es wäre doch schade, wenn ich nur eine Auswahl der Tipps an die jungen Journalistinnen und Journalisten weitergeben würde. Zudem einige Tipps durchaus auch für ältere Journalistinnen und Journalisten gelten dürften:
„Tipps von älteren Journalisten entgegennehmen. Dem Bauchgefühl vertrauen, kritisch bleiben.“
„Fight The Power“
„Viel weiterbilden“
„Fehler machen ist kein Unglück, aber mit der Zeit sollte man sie möglichst ausmerzen. Mutig sein. Locker bleiben.“
„Lesen!““Hartnäckig sein“
„Work hard, play hard“
„Auf die eigenen Stärken vertrauen. Qualität setzt sich früher oder später durch.“
„Mehr lesen, eigene Haltung vertiefen.“
„Guten Journalismus machen und sich für neue Entwicklungen interessieren. In der gekonnen Kombination liegt die Zukunft.“
„Suche die Grenzen.“
„Arbeiten“
„Er braucht das heilige Feuer für diesen Beruf – nur dann wird er ein guter Journalist.“
„Seinen eigenen Weg gehen.“
„Zeitung und Bücher lesen.“
„Kritisch und ehrlich sein.“
„Lern zuerst etwas Gescheites!“
„Lesen, lesen, lesen. Rausgehen und druchbeissen.“
„Durchhalten: Talent setzt sich durch.“
„Setze auf Qualität, egal in welchem Bereich (es gibt selbstverständlich auch Qualität im Boulevard oder auf Online-Newsportalen): In der Ausbildung und beim Schreiben jedes einzelnen Textes.“
„Behalte Deinen Elan, tu, was Dir am besten gefällt. Das klingt pathetisch…“
„Leute treffen, vor Ort gehen.“
„Geh tief!“
„Versuch, Deine Nische zu finden und baue Dir bald einen Ruf als ‚Marke‘ auf.“
„Die eigenen Werte immer beihalten.“
„Sorge Dich nicht, kämpfe.“
Dranbleiben und nicht aufgeben.“
„Studium machen – eventuell Wirtschaft, Jus. Bei Politik versteht man auch so. Geschichte kann man nachlesen.“
„Es lohnt sich!“
„Offen sein, neugierig und Dir ein politisch vertieftes Wissen aneignen – das hilft stark.“
„Nicht jammern, sondern auf Ehrgeiz und Bescheidenheit setzen.“
„Bleib dran. Sei multimedial. Sei unbequem. Und mach den Job für die Sache und nicht für Dich.“
„Eine richtige Ausbildung machen und sich in Themen vertiefen.“
„Diversifiziere Dein Skillset.“
„Hab eine Haltung!“
„Mehr Gelassenheit, Ernsthaftigkeit und Sachlichkeit.“
„Theorie ist nicht alles.“
„Es wird nicht leichter.“
„Die Herausforderungen der heutigen Medienwelt annehmen, statt sich an rückwärtsgewandte Konzepte zu klammern.“
„Sucht Euch einen anderen Job.“
„Die Leidenschaft nicht verlieren.“
„Sich nie als Person in den Mittelpunkt der Berichterstattung stellen.“
„Mit möglichst vielen Kollegen über die zu schreibende Geschichte reden. Oft merkt man erst dann, wo die eigentliche Geschichte steckt.“
„Qualität hochhalten.“
„Um die Ecke denken.“
„Sei bereit, Dein Brot auch freiberuflich zu verdienen. Mache Deine Ausbildung oder Dein Volontariat bei einem renommierten Verlag, sonst arbeitest Du hinterher in Hintertupfingen. Studiere vorher etwas anderes als Journalismus; spezialisiere Dich auf ein Themengebiet, was Dich interessiert, und an dem künftig auch Leser noch Interesse haben werden. Begeistere Dich für die neuen Möglichkeiten, die die Technik dem Journalismus bietet, und fange frühzeitig an, damit zu experimentieren.“
„Lasst uns schaffen!“
In welchem Bereich arbeitest Du?
Hier waren wieder Mehrfachnennungen möglich.
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